Permission to Fly – Erlaubnis zu Fliegen – hat Jordan Rudess sein jüngstes Album betitelt. Der Keyboarder der Prog-Rock-Ikonen Dream Theater hat sich erneut auf Solopfade begeben und rund 55 Minuten gemischte Genre eingespielt.
Mit seinem jüngsten Album „beschäftigt sich [Rudess] mit der Komplexität der menschlichen Existenz in unserer facettenreichen Welt“, heißt es im Pressetext. Leider kommt das Album ohne Booklet, sonst ließen sich die ein oder anderen Lyrics leichter verfolgen und die Substanz der Behauptung leichter verifizieren. So heißt es glauben und vertrauen. Worauf?
Jeder Song ist eine eigenständige Reise, aber in seiner Gesamtheit enthüllt das Album eine musikalische Odyssee durch das breite Spektrum menschlicher Erfahrungen.
Soso. Klar ist in jedem Fall: wenn es um erklärende Beschreibungen für die verschiedenen Phänomene musikalischer Ausdrucksformen geht, ist das Marketing selten verlegen, für jede Gütze große Worte zu finden, quasi eine Permission to Fly. Da wird abgehoben, was das Zeug hält, und anschließend ist der Hörer überrascht, was für karge Klänge sich aus den großen Worten destillieren lassen, wenn man sich Mühe gibt.
Im Fall von Permission to Fly gibt es also einen Genre-Mix. Nicht immer Prog-Rock, im Kern aber schon. Mal eher flott, mal balladesk. Hier eine Reminiszenz an Gentle Giant, dort an Frank Zappa (aber vielleicht auch nur aus Versehen so ähnlich, man weiß es nicht genau). Und zum Schluss mit großem Gestus Chor und Orchester. Das klingt üppig aufgetragen.
Erstaunlicher Weise ist es das aber gar nicht. Manche Stücke – zum Beispiel der Opener The Final Threshold – sprühen als leicht verdauliche Prog-Paraden aus den Lautsprechern. Andere – wie Haunted Devils – greifen in das Elektro-Regal, flankiert von Piano-Spritzern und klingen dann im Pop-Kostüm weiter, in 12/4 mit kleinem 7/4 da und dort. Nicht, dass es langweilig wird. Noch poppiger mit schwerem Hang zu konventioneller Gefälligkeit fällt Shadow of the Moon aus. Das überrascht ein wenig, erfüllt aber eventuell die Funktion der Ballade auf Heavy Metal-Alben, die ja vor allem dazu da ist, „Wir können auch Musik“ zu kommunizieren.
Eingespielt haben diese Variationsfreude gemeinsam mit Rudess der Schlagzeuger Darby Todd, der Sänger That Joe Payne sowie die Gitarristen Steve Dadaian und Bastian Martinez – letzterer engagiert für die Soli.
Klanglich ist das Album luftig und zumeist weit ausgreifend. Was manchmal vermisst wird, ist ein solider Bassfundament – da kein Bassist mitspielt, wurde die Aufgabe den Tasten übertragen, die mitunter aber anderes zu tun hatten, wie es scheint. An der allgemeinen Qualität des Mix lässt sich aber nicht viel mäkeln, im Grunde ist das alles exquisit sauber.
Permission to Fly ist zahmer als beispielsweise Rudess‘ Album Wired for Madness von 2019. Aber das wird von ihm ja auch erwartet, dass er mit jedem Album nicht nur neue Stücke, sondern auch sich selber neu erfindet. Das ist ihm gut gelungen. (Thomas Semmler, HighResMac)
Jordan Rudess, Keyboards
Darby Todd, Schlagzeug
That Joe Payne, Gesang
Steve Dadaian, Gitarre
Bastian Martinez, Gitarrensoli