Der 1965 mit 46 Jahren verstorbene Jazzpianist und Sänger Nat King Cole startete seine Karriere Anfang der vierziger Jahre mit dem Nat-King Cole Trio, dessen Markenzeichen es war, dass sämtliche drei Mitglieder des Trios auch sängerisch auftraten. Der spätere Solosänger Cole hatte einen ersten US-Hit mit All for You. Seinen internationalen Durchbruch als Sänger begründete Cole 1948 mit dem Song Nature Boy. In den fünfziger Jahren begann Cole, als Sänger den Pfad des Jazz zunehmend zu verlassen, um schließlich auf Grundlage streicherdominierter Arrangements komplett in den Gefilden des Pop zu landen.
Nature Boy ist neben Mona Lisa und The Christmas Song einer von Coles Super-Hits auf Gregory Porters neuestem Album Nat King Cole & Me, das im Download-Format insgesamt fünfzehn Songs umfasst. Gregory Porter, der sich zwischenzeitlich als größter lebender Crossover Star des Jazz etabliert hat, versteht es geschickt, Nat King Coles Songs nachzuerzählen, anstatt zu versuchen, die Singweise Coles zu imitieren. Dabei scheint es ihm nicht schwer zu fallen, die Position des „einsamen“ Solisten vor dem groß besetzten Orchester einzunehmen, eine Rolle, die für Porter neu ist, der bislang in relativ kleine Combos im Wettstreit mit deren Instrumentalisten aktiv war. Es klingt zumindest so, als habe sich Gregory Porter völlig problemlos in seine neue Rolle eingefügt, die ihm abverlangt, relativ treu der vorgegebenen Melodie zu folgen, anstatt wie gewohnt, aus grummelnden Tiefen bis in höchste Höhen Stimmraketen abzufeuern. Und: diese Rolle steht ihm gut. Sein Tribut an den Sänger Nat King Cole ist deshalb nicht eine bloße Verbeugung vor einer historischen Gestalt des Jazz und Pop, sondern auch ein gelungener Aufbruch in neue, dem Pop deutlich näher als dem Jazz stehende Gefilde.
Nat King Cole & Me könnte im Hinblick auf die sängerische Leistung Gregory Porters eine uneingeschränkte Empfehlung wert sein, wenn, ja wenn da nicht die recht unsäglich klebrige, rosa Streichersoße wäre, die über die Songs gegossen, diese schwer verdaulich macht. Man darf davon ausgehen, dass das ad hoc aus Profis der Londoner Musikszene zusammengestellte, neben Streichern auch mit Bläsern besetzte, als London Studio Orchestra firmierende, 70 Mann starke Ensemble in der Lage ist, einen kernigen Orchestersound zu produzieren: Derart lieblos aufgenommen und zu Tode komprimiert, schlicht platt gemacht, tönt jedoch auch ein x-beliebiges schlechtes Laienorchester nicht weniger belanglos. Da nützt es auch nichts, dass Gregory Peck darauf verweisen kann, dass Nat King Cole einige der Songs, vor allem die späteren Songs, von denen einige auch auf dem Album Nat King Cole & Me versammelt sind, vor dem Hintergrund eines Streichorchesters im Rahmen ziemlich süßlich daherkommender Arrangements aufgenommen hat. Diese Arrangements „passen“ jedoch nicht zuletzt wegen der zum Teil in die Jahre gekommenen Aufnahmetechnik, denen der Charm des Gestrigen anhaftet, deutlich besser zu den Songs als die von Vince Mendoza erstellten, mit moderner Ton-Nachbereitungstechnik bis zur Unkenntlichkeit glatt gebügelten Arrangements.
Nichtsdestoweniger wird dieses Album unter Fans Gregory Porters begeisterte Zustimmung auslösen, was ja auch verständlich ist, soweit es Porters an sich adäquat aufgenommener, gekonnter sängerischen Einsatz auf Nat King Cole & Me betrifft.
Gregory Porter, Gesang
Christian Sands, Klavier
Reuben Rogers, Bass
Ulysses Owens, Schlagzeug
Terence Blanchard, Trompete
The London Studio Orchestra
Vince Mendoza, Musikalische Leitung